Spaßnahme – Tag 2

Zweiter Tag und endlich geht es in den PC-Pool. Die PCs sind Laptops, aber gut, solange es keine Kühe sind…Kühe als PCs zu benutzen ist selbstredend aus diversen Gründen unpraktisch. Zum einen ist die schwarz-weiße Bemusterung nicht nur eine demotivierende Metapher für die heutige Gesellschaft, sondern flackert ungesund in den Augen, so dass man bereits nach einer Stunde Kopfschmerzen bekommt. Zum anderen ist die Internetverbindung über Kühe nicht ideal, nur weil man mehrere Mägen hat, heißt das noch lange nicht, dass das W-Lan  funktioniert. Und sowieso, Kühe nehmen viel zu viel Platz weg, wenn schon, dann doch lieber ein Zwergpony, das brennt auch nicht so in den Augen.


Zu Beginn des Kurses soll es wieder etwas Theorie geben, na hoffentlich nicht wieder ein OZ-Spezial, noch einmal ertrage ich das nicht. Stattdessen gibt es eierige Kommunikationstheorie, ein albernes Rollenspiel und dann noch etwas zum „Resumö“. Aber hier im Zwergpony-Pool ist das sowieso egal, denn die Alten sitzen vorne und braten Einzelschicksale, während wir hier hinten eine eingeschworene Party-Truppe bilden.
Herbert ist heute ruhiger und etwas vergrätzt, was einerseits an seiner Diabetes liegen kann, andererseits an den Tücken der Technik. Unsereins fühlt sich ja mit Gadgets und Electrospielzeugen verbunden, unsere Venen pochen im Gleichschritt unserer Twitter-Einträge. Aber Herbert kämpft mit der Technik „Bei mir zuhause passiert sowas nie“ ist der Standard-Spruch für Leute, die zuhause asbachuralte Geräte haben, die noch mit Hamstern angetrieben werden und Disketten so groß wie Plakatwände benötigen, um irgendeine obskure Dos-Anwendung zum Laufen zu bringen.

Während Heister den Interesse-vortäuschenden Altsemestern über sogenannte Assessment-Center ein paar Takte erzählt, haben wir uns ein parallel-Seminar aufgebaut, in dem ausgelassene Hierarchie herrscht. Kurzer Einwurf von Heister: „Märchen muss man auch erzählen können, in solchen Assessment-Tests, beispielsweise als Kindergärtnerin.“ Ein guter alter Heister. Auch schön – zum Ende des Vortrages starrt uns die ernüchternde Aussage entgegen, dass Assessment-Tests eigentlich keine Aussagekraft haben. Ach so, naja, war ja trotzdem nett.

Bei der theoretischen Abhandlung über verhandlungssicheres Aussehen kommt es zu moderaten Auseinandersetzungen, da Heister über die zu vermeidenden russischen Parfüms redet, als auch die aufgebrezelten dazugehörenden Damen. DAS passt dem Herbert gar nicht.

„Also meine Frau nicht.“

„Ich meine auch nicht ihre Frau“

Jaja, denn dem Herbert seine Frau ist Russin. Böses Fettnäpfchen. Heister, Heister, die Stimmung schwankt.

Dennoch fühlt er sich sichtlich wohl an der Spitze, die dahingenuschelten Theorie-Ansätze hat er hinter sich gelassen, nun kann er fröhlich watschelnd machen was er will, im Grunde rennt er immer nur rein und raus, das kenn ich, das macht man, um geschäftig und wichtig zu erscheinen.

Dass ich gar keine Arbeit suche, hab ich dann in der letzten Zigarettenpause klar gestellt, mein Freischein ist damit ausgestellt, ein paar schon längst abgeschickte Bewerbungen soll ich dennoch in meine Liste schreiben, sonst kriegen die Anleiter Ärger. Na, das überleg ich mir noch.

Natürlich hat der Freischein auch seine Konsequenzen, plötzlich bin ich  die Fachkraft für alles, natürlich, ich such ja nicht mehr, ich gehöre zur Erfolgsschicht der einigermaßen gut bezahlten Praktikanten, jeder Blickkontakt wird mit einer Meinungsaufforderung bestraft.

„Eine innere Uhr muss man auch haben, oder wie sehen Sie das?“

„Äh, ja, ich weiß jetzt nicht so genau, was sie meinen, mit innerer Uhr.“

„Na, eine innere Ruhe bewahren.“

„Ach so, ja.“

Problem dabei ist, dass ich total unaufmerksam bin, die holperig vorgelesenen Vorlagen von Heister, der sie anscheinend heute auch zum ersten Mal liest, laden zum Ferndenken ein.

Kurz vor der Mittagspause werde ich dann schon wieder schräg angepöbelt. „Na nu lächel doch mal, du guckst mich immer so böse an.“ Verdammter Lächelnazi, das kann doch nicht sein, dass man hier aufgrund schlaffer Mundwinkel zur Guten Laune genötigt wird, wo soll das noch Enden, Einhaken und Schunkeln, oder schlimmer, eine Polonaise.

In den letzten zwei Stunden ist für gewöhnlich die Luft raus, neben ein paar (noch) harmlosen Keilereien zwischen Heister und, nennen wir sie mal Katrin, sind alle ruhiger und tickern leise vor sich hin. Auch wenn es sicherlich stressig wird und höchstwahrscheinlich wieder schief geht, werde ich morgen in Berlin unterwegs sein, meinen zukünftigen Praktikumsplatz besuchen und nebenbei auch noch eine, hoffentlich zwei Wohnungen begutachten. Ich bin schon ein Fuchs. Wenn man allen anderen glauben mag, dann ist es unmöglich eine Wohnung in Berlin zu finden. Auch wenn jeder nach Berlin zieht, niemand wohnt dort, alle Leute, die eine Wohnung dort haben, haben an Öllampen gerubbelt oder Kobolde gefangen und ergatterten sich damit das Unmögliche. Ansonsten sind Berlins Straßen voll von Wohnungssuchenden, die tagein, tagaus nette Apartments besichtigen und abends wehmütig in Erdgeschoss-Fenster luschern, um zu sehen, ob in der dazugehörigen Wohnung eventuell gerade jemand gestorben ist, oder sich ein Pärchen böse streitet. Deshalb sind die Straßen in Berlin so voll, weil niemand ein zuhause hat und jeder nach der Arbeit nur verloren umherstreift, auf der Suche nach provisionsfreien Angeboten. Ein Trauerspiel.

Nach und nach kommen die üblen Machenschaften des Herrn Heister an den Tag. Oh ja, die 88 OZ-Seiten waren nur das Vorspiel zum eigentlichen Terror, denn fast schon verzweifelt versucht er uns Angebote und Stellen auf zu drücken, die niemand haben will, oder kann. In der Welt des Herrn Heister existieren keine Qualifikationsschranken, keine Ausbildung? Egal, da steht doch auch „kontaktfreudig“, das muss reichen. Natürlich nicht für mich, ich guck ja immer so böse.

Die Frustration schlägt übrigens Wellen, in den Zigarettenpausen wird nicht einmal mehr geflüstert, wenn man sich über die Leitung beschwert. Ich vornean, als gelernte Musikjournalistin kenne ich die hohe Kunst der handfesten Miesmacherei, da kenn ich auch nichts, wenn ich schon zwei Wochen lang dazu verdonnert werde, mir die OZ vorlesen zu lassen, um dann noch penetrant zu Mundwinkelverrenkungen aufgefordert zu werden, dann mach ich jeden schlecht, der sich mir in den Weg stellt. Das Seminar endet mit der Fantasieliste, für die uns Heister einen fiktiven Stundenplan diktiert, den wir anscheinend an diesem Tag durchgenommen haben. Was da alles zusammenkommt, man könnte fast meinen, dass die fiktiven Kursteilnehmer dieses fiktiven Stundenplans wirklich einiges gelernt haben….

 

 

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